XBox 360-Besitzer werden ihn kennen.
Hier seine
private Meinung zu dem Geplanten:
Eigentlich hatte ich mir geschworen, nach den tragischen Ereignissen von Winnenden keinen darauf passenden Blog-Post zu schreiben. Ich dachte, alles was ich zum Thema sagen mag, ist gesagt und außerdem kommt wieder irgendein Idiot und zitiert aus diesem Blog als “Meinung von Microsoft” und bringt damit mich, Microsoft und insbesondere den BIU in Schwierigkeiten. Daher der vorauseilende Disclaimer: Hier schreibt der Privatmann Schneider-Johne, zitieren Sie mich gerne, aber als Privatperson und nicht als Mitarbeiter einer Firma oder der Spieleindustrie.
Samstag juckte es schon sehr gewaltig in den Fingern, als gerade Spiegel Online anfing, die Berichterstattung auf sehr absurde Weise zu verzerren und damit meine Meinung zum Spiegel Online doch sehr erschütterte (gleich dazu mehr). Trotzdem habe ich nichts geschrieben. Aber als ich gerade auf Heise.de lesen mußte, daß die Stadt Stuttgart tatsächlich das nächste “Intel Friday Night Game” untersagen/verbieten lassen will, weil da Counterstrike gespielt wird, muß ich jetzt ein Sicherheitsventil öffnen und Druck ablassen.
Also, schön chronologisch: Wenn sechs Familien aus Winnenden in einem offenen Brief ein weitgehendes Waffenverbot und Einschränkungen beim Sportschießen, ein Fernseh-Gewalt-Verbot, ein Killerspiel-Verbot, eine Internet-Chat-Überwachung und eine Einschränkung der Berichterstattung über Amokläufer fordern, dann gibt es keinen, aber auch wirklich keinen objektiven Grund, als Überschrift: “Opferfamilien aus Winnenden verlangen Killerspiel-Verbot” zu nehmen. Da hat der Autor oder Redakteur seine private Meinung vor eine objektive Nachricht gestellt.
In Ihrer Gesamtheit finde ich den
Brief der sechs Familien mutig und als Gesamtkatalog ja sogar einen sehr ausgewogenen Wunsch. Insbesondere, weil “Gewalt verherrlichende” Spiele in Deutschland sowieso verboten sind, seit langer Zeit, mit Strafgesetzbuch § 131. Ja, der Begriff ist dehnbar, aber es wurden harte Brocken von Spielen durch diesen Paragraphen aus dem deutschen Handel getilgt. Man muß sagen: Der Wunsch der Eltern wird durch die deutsche Gesetzeslage bei Spielen im Augenblick weitgehend erfüllt.
Das insbesondere der Punkt “Weniger Berichterstattung” von Spiegel Online geradezu mit den Füßen getreten wurde, zeigt mal wieder auf die alte “Ich unterstütze gerne ein Verbot, solange es mich nicht selbst betrifft”-Haltung von Politikern und jetzt auch Medien hin. Am Tag des Amoklaufes hatte das ZDF in Sondersendungen und Heute Journal zwei (!) Psychologen, die beide auf die Frage “Warum immer mehr solche Amokläufe?” recht klar darlegten, daß durch intensive Berichterstattung auch der kleinsten Details des Tatablaufs in den Medien eine Nachahmung erst ausgelöst werden kann. Hat das Heute Journal aber nicht daran gehindert, trotzdem weiter möglichst viel zu berichten. Oder wenn bei Spiegel Online zitiert wird, daß die sechs Familien die Nennung des Täters mit Foto kritisieren, wird einen Absatz später trotzdem der Täter mit vollem Namen genannt. Aaalso: Killerspiele bitte verbieten, sind ja die Eltern dafür, aber die Berichterstattung, die werden wir nicht einschränken, denn wir sind ja eine freie Presse und die Leute haben ein Recht auf Information!
In dem angesprochenen Dreieck von “Zugriff auf Waffen”, “Berichterstattung über andere Amokläufe” und “Gewalthaltige Medien” hatten letztere den geringsten direkten Einfluß auf die Tat. Ohne Waffe wäre es sowieso nicht dazu gekommen, ohne ständiges Wiederkäuen des genauen Tatablaufs in Columbine oder in Erfurt käme ein suizidgefährdeter Jugendlicher gar nicht auf die Idee, eine noch größere Tat konkret zu planen oder andere nachzuahmen. Und diesesmal: Noch detaillierter, mit dem ganzen Instrumentarium von Flash-Timelines und Google-Maps und bezahlten Interviews mit Jugendlichen, damit man irgendwas im Fernsehen zeigen kann. Liebe Medien, wenn in den nächsten Jahren sich wieder einer noch blutiger durch eine Schule oder schlimmer ballert, dann habt ihr ihm in den letzten Tagen genau gezeigt, wie man’s macht und daß ihr gerne auch noch Statements, Abschiedsbriefe oder Webseiten des Amokläufers veröffentlichen würdet, würde es denn welche geben – so verzweifelt wie ihr dieses Mal danach gesucht, aber nichts echtes gefunden habt.
Eines hat mir diese Episode aber gezeigt: Es ist keine Bösartigkeit und kein Hass, der Politiker und Medien auf die Barrikaden gegen Computerspiele treibt. Es ist schlicht und einfach die Tatsache, daß diese Medien im Leben der genannten Personen einfach keinerlei Rolle spielen und sie sie einfach grundlegend nicht verstehen. Das sind Verbotsforderungen noch nicht mal aus Dummheit, sondern aus Naivität.
Ganz abgesehen von einer Wirkungsdiskussion, die man jetzt sehr lange führen könnte, gibt es aber ein ganz anderes Problem welches die Verbots-Anhänger auch gar nicht sehen können, weil sie die Tragweite des Mediums nicht verstehen. Die sind nicht im digitalen Zeitalter angekommen und merken nicht, daß ein “Verkaufs- und Herstellungs-Verbot” vollkommen wirkungslos (und schlimmstenfalls sogar noch anfeuernd) ist.
Was war die Empörung groß, als im Olympischen Pressezentrum in Peking nicht jede beliebige Internet-Seite aufgerufen werden konnte. Und prompt gab es die Anleitungen, wie man sich mit Tor-Proxys und VPN-Tunnels trotzdem sein Recht auf Informations-Freiheit beschaffen konnte.
Großhirn an Politiker: Genau mit den gleichen Tricks holen sich die Kids, die eh technisch zehnmal fixer sind als ihr, genau die Inhalte, die Ihr verbieten wollt.
Und selbst wenn ihr die Schotten im Internet irgendwie völlig dicht macht: Es sind hunderttausende Counter Strikes auf deutschen Festplatten und in deutschen Jugendzimmern. Außer die Länder schicken jetzt ihre Polizei von Tür zu Tür, PC-Kontrollen machen, kriegt ihr mit einem Verbot von Counter Strike und Co nicht eine einzige Kopie aus deutschen Kinderzimmern. Im Gegenteil: Die “Beschaffungskriminalität” auf dem Schulhof, wo man sich gegenseitig die guten selbstgebrannten CDs hin und her reicht, wird dafür sorgen, daß eher mehr als weniger Kids mit dem Zeug in Berührung kommen.
Der Geist ist aus der Flasche und ihr kriegt ihn nicht mehr rein. Wenn ihr die Jugend “verbessern” wollt, müsst ihr nicht verbieten – sondern bieten. Bessere Bildungsangebote, mehr Freizeitangebote und deutlich mehr Unterstützung für Eltern.
Und jetzt zurück zu Stuttgart. Hey, nicht mal die Spielverbieter-Vorreiter von der CSU haben es in Erwägung gezogen, die Intel Friday Game Night in München letzten Freitag zu verbieten (vielleicht, weil Intel sein Hauptquartier im Osten von München hat). Aber mal ein heißer Tip: Auf Eurem Frühlingsfest vom 11. April gibt es laut aktueller Ausstellerliste: 2x Fotoschießen, 2x Korkenschießen, 3x Pfeilwerfen, 1x Pistolenschießen und 7x Röhrchenschießen. 15 Schießbuden also und ich erwarte jetzt bitte morgen eine Mitteilung des Bürgermeisters, daß auch diese 15 Schießbuden dieses Jahr nicht teilnehmen dürfen – alleine schon wegen Ostern und seiner christlichen Bedeutung. Und dann könnt ihr meinetwegen auch die ESL aus eurer Stadt jagen. Über den Olympia-Stützpunkt für Sportschützen in Pforzheim reden wir dann später.
Verbietet weitgehend Waffen, verbietet Tatort, CSI und Cobra 11 im deutschen Fernsehen und Torture-Porn im Kino und auf DVD, schränkt die Pressefreiheit bei Gefahr von Nachahmungstaten ein, sperrt das Internet in Deutschland radikal ab und dann kommt noch mal wieder und verschärft dann den härtesten Jugendschutz bei Spielen in Europa nochmal weiter. Vorher lohnt es sich nicht.
Achja, über Alkohol hatten wir heute auch noch nicht geredet…
[Quelle: dreisechzig.net]
Dem ist NICHTS hinzuzufügen !