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Zitat:In diesem Fall muss man evtl. mehr Hirnschmalz in die Weiche stecken, um mit einem nicht ganz fehlerfreien Chassis trotzdem gut zurecht zu kommen. Moglich ist das. Ausserdem wird dieser Lautsprecher ja kein Studiomonitor.
Das ist der generelle Trugschluss und genau das, worauf ich im Grunde immer hingewiesen habe. Ich erinnere mal an meine Aussagen vonwegen erste Wellenfront.
Diese erste Wellenfront ist massgebend. Stellt euch vor, wir sitzen in einem Konzertsaal. Da gibt es den Direktschall, der genau das bringt, was das Orchester spielt. Und es gibt etwas später die Reflexionen. Diese addieren sich mit dem Direktschall und führen zu Überlagerungen, also Überhöhungen und Auslöschungen. Trotzdem ist der Frequenzgang im Raum gefühlt linear. Warum?
Weil wir den ersten Eindruck, also die erste Wellenfront auswerten. Und wenn unser Lautsprecher bei der ersten Wellenfront, also den ersten "Zuckungen" der Membran etwas anderes macht als später im eingeschwungenen Zustand, dann klingt er anders als es zu erwarten wäre. Und genau darum klingen "lineare" Lautsprecher (innerhalb +/-2dB) unterschiedlich, weil diese Linearität im eingeschwungenen Zustand vorhanden ist und nicht unbedingt bei der ersten Wellenfront. Und darum hat der Raum gehörmässig kleineren Einfluss, als es allgemein angenommen wird. Und genau darum ist der Bafflestep nicht so schlimm, weil er kleinere Pegelfehler im
eingeschwungenen Zustand! erzeugt als der Raum (Konzertsaal).
Ein Beispiel: Ich habe mir die neuen Boxen gebaut und diese klingen gut. Und es sind an meiner Surroundanlage 4 identische grosse Dinger (36 x 36 x 72cm) und ein Center, der mit dem breitbandigen Mittel-Tieftöner SPH-130 und der Kalotte DT-254 bestückt ist, also den Chassis, die ich auch in den grossen Boxen einsetze. Also müssten diese Boxen eigentlich gleich klingen. Und wenn ich diese wahlweise an einen Ausgang umschalte, so sind die Unterschiede mit Musik gering. Und wenn ich noch alle auf einen Haufen stelle ist der Unterschied nicht zu erkennen, weil er ja nur aus der Bauteilstreuung resultiert. Mit rosa Rauschen im Raum klingen sie aber unterschiedlich, weil dies ein eingeschwungener Zustand ist, also kein Einschwingen und keine erste Wellenfront und da beurteile ich den Frequenzgang von Box UND Raum. Und da die Box identisch ist, macht der Raum den Unterschied.
Daraus kann man folgendes ableiten:
Wenn ich mit Musik, mit impulsreicher Musik (kleinere Gruppen) vergleiche, so spielt die erste Wellenfront eine weit höhere Rolle als bei ausgehaltenen Tönen ohne eindeutige Einschwingvorgänge. Dort spielt der Frequenzgang (gemessen) inkl. Raum eine grosse Rolle.
Fertige Boxen werden gemessen und der Frequenzgang aufgezeigt. Das ist der Fall für die ausgehaltenen Töne. Das sollte linear sein. ABER würde man den Frequenzgang im Einschwingen betrachten, so müsste dieser ebenfalls linear sein und erst noch in der Phase stimmen. Und das wird NICHT getestet und nicht veröffentlicht, weil man meist nicht beides hin bekommt.
Jetzt können wir mal den Frequenzgangschrieb anschauen und das Zerfallsspektrum (das übrigens nicht gemessen wird, sondern aus dem Frequenzgang und den TSP berechnet wird). Wir stellen fest, dass dort, wo beides bekannt ist eine Parallele zwischen Frequenzgangunebenheiten und langem Ausschwingen besteht. Wie kommt dieses lange Ausschwingen zustande? Da wird ein Teil der Membran zu Resonanzen angeregt und je nach Ort auf der Membran kann diese Resonanz zu einer Pegelüberhöhung oder einem Einbruch führen. Und das Ausschwingen zeigt an, dass da Energie in der Membran gespeichert ist, denn sonst gäbe es das Ausschwingen nicht. Das bedeutet logischerweise aber auch, dass wir diese Energie, die beim Ausschwingen raus kommt, zuerst reingesteckt werden musste. Wenn wir den HX160 betrachten, so zeigt der bei 3,5kHz eine Überhöhung von 11,5dB gegenüber dem angegebenen Kennschalldruck. Das bedeutet, dass beim eingeschwungenen Klingen dieser Bereich mit mehr als 10facher Leistung abgestrahlt wird und dass man daraus schliessen kann, dass dieses Geplärre auch nachher noch eine Weile weiter geht, dass es aber beim Einschwingen, also bei der ersten Wellenfront fast vollständig fehlen muss! Der Einschwing-Frequenzgang wird folglich ziemlich genau umgekehrt aussehen als der Frequenzgang im eingeschwungenen Zustand.
Jetzt ist bekannt, dass eine Überhöhung klanglich weit stärker auffällt als ein "Loch". Haben wir also eine Überhöhung bei den 3,5kHz, so müssten wir diese mit einer Weiche, also einem schmalbandigen Resonanzkreis ausbügeln. Wir müssten also diesen schmalen Bereich absenken, womit er im Einschwingen (wenn wir das mit der zuzuführenden Energie berücksichtigen) um mindestens 20dB zu leise wiedergegeben wird (fast nicht mehr zu hören).
Ich erinnere da mal an Pfleiderer, der ja Aktivlautsprecher mit Vorentzerrung baut(e). Da werden solche mechanischen Ungereimtheiten durch elektronische Gegenmassnahmen "ausgeglichen". Allerdings verwendet er (Irrtum vorbehalten) gerade mal 4 oder 5 Kreise zum Ausgleich. Zeichnet man das Ersatzschaltbild eines Lautsprechers, so gibt es da die Schwingspulen-Induktivität, den Drahtwiderstand und allenfalls eine Kapazität der Spule. Weiter gibt es die Grundresonanz, also die 30Hz eines Tieftöners. Wenn man dies ausgleicht oder einfach mal in Betracht zieht, mag dies für einen Tieftöner genügen, nicht aber für einen Mitteltöner oder Breitbänder. Das Ersatzschaltbild des HX160 würde sich aus mindestens 15 massgebenden Resonanzkreisen zusammensetzen plus nochmals so viele, die geringere Auswirkung haben und somit mal vernachlässigt werden können. Wir könnten also den EINGESCHWUNGENEN Frequenzgang mit einem entsprechenden Wust an Bauteilen linearisieren, wobei eine Anhebung nicht möglich ist, sondern nur eine mehr oder weniger starke Dämpfung, sodass wir in der Summe immer etwas tiefer landen werden, als der jetzt tiefste Pegelpunkt liegt, also Maximalpegel 88dB oder tiefer!
Und das ergäbe einen linearen Frequenzgang im eingeschwungenen Zustand, aber etwas FURCHTBARES bei der ersten Wellenfront.
Wenn es mein Projekt wäre, so würde ich versuchen, einen Lautsprecher zu bauen, der entgegen der landläufigen Konstruktionen sowohl im eingeschwungenen Zustand als auch beim Ein- und Ausschwingen einen idealen Frequenz- und Phasengang aufweist. Dies ist heute noch Mangelware, wohingegen Lautsprecher mit Wirkungsgrad von 1% (92dB Kennschalldruck) keine wirkliche Rarität darstellen. Letztere zeigen aber samt und sonders grosse Unterschiede zwischen Einschwingen und eingeschwungenem Zustand und sind daher klanglich Mittelmass.